Die sprachliche Situation in Algerien
Die Politik einer nationalen Identität seit der Unabhängigkeit über das Dreieck Kultur (arabisch), Sprache (arabisch) und Religion (Islam) ohne die Akzeptanz durch die Bevölkerung herzustellen, hat dazu geführt, dass die algerische Identität immer noch thematisiert wird.
Ohne Berücksichtigung der sprachlichen Realität bleibt die sprachliche Situation und damit die algerische Identität auch nach mehr als 50 Jahren Unabhängigkeit ungelöst. Die Entwicklung einer nationalen Identität kann man nicht von oben dekretieren, gerade wenn sie von den Bürgern her nicht getragen wird.
Die Durchsetzung des Hocharabischen als einziger Sprache in allen öffentlichen Bereichen hat dazu geführt, dass die Algerier seit den achtziger Jahren immer weniger hoch-arabisch und französisch beherrschen.
Der Algerier beherrsche selbstverständlich seine Muttersprache, die sein Denken und seine Emotionen prägt. Die Muttersprache verfügt über eine starke soziale Basis und bildet als Hauptkommunikationsmittel die Sprache des Alltags. Spricht man mit jemandem in einer Sprache, die er versteht, erfasst er das Gesagte mit seinem Verstand, spricht man mit ihm in seiner Muttersprache, geht es ihm ins Herz, so Nelson Mandelas Zitat.
Der algerische Sprachwissenschaftler, Prof. Abderezak Dourari, Dr. Linguist der Sorbonne Universität, der an der Universität Algier tätig ist, beschreibt die sprachliche Situation in Algerien seit der Arabisierung der 70er Jahren als verwirrend und desorientiert. Er erwähnt in seinem Buch „Les malaises de la société algérienne d’aujourd’hui: crise de langue et crise d’identité. 2004“ zwei Hauptgründe, die dazu geführt haben, dass sich das Niveau der Sprachen stark in der letzten Jahren verschlechtert hat: der erste Grund seien die angewandeten didaktischen Methoden, die glauben lassen, dass die in der Schule gelernte Sprache „Schularabisch“, die Muttersprache sei. Dies wäre falsch. Der zweite Grund bezieht sich auf den pädagogischen Inhalt der Lehrprogramme. Die Arabisierungspolitik zielte aus seiner Sicht nicht auf das Lehren der arabischen Sprache, sondern auf die Verbreitung von konservativem Gedankengut bzw. einer Ideologie. „Wenn man eine Sprache zu sehr liebt, erstickt man sie !“ .
Was die französische Sprache angeht, ist der Professor der Meinung, sie sei, aus politischen Gründen, an den Rand gedrückt. Sie sei ja die Sprache der ehemaligen Kolonialherren.
Die Verwirrung besteht vor allem darin, dass die offizielle Sprache des Landes diejenige ist, die vom Staat durchgesetzt und in den Schulen eingeführt wurde.
Die Algerier hätten Muttersprachen. Es gehe hauptsächlich um zwei Varianten: das algerische Arabisch, eine gemeinsame Sprache für die Algerier und die Maghrebstaaten im Allgemeinen. Die Anwendung dieser Sprache führe bis zum 13 Jahrhundert zurück. Ihre wichtigsten Elementen würden von den Phöniziern, den Arabern und Berbern stammen.
Die Zweite ist Tamazight mit ihren regionalen Varianten, kabylisch, chaoui, mozabit und tergui.
Der Professor betont die Wichtigkeit der Muttersprache und ihre Einführung in der Schule für das Kind. Dies würde das Kind beruhigen und auch ermutigen, sich für weitere Sprachen zu öffnen. Wenn man das Erlernen von Fremdsprachen auf die Muttersprache baut, könnte das Kind mindestens 5 Sprachen ohne Verwechselung beherrschen. Es sei wichtig, dass das Kind sich in seiner Muttersprache, nicht angegriffen fühlt. Er dürfe nicht das Gefühl gewinnen, er müsse sich seiner Muttersprache entledigen.
Bis heute fehlt eine gemeinsame Vision die Sprachenlandschaft in Algerien zu bewahren und weiterzuentwickeln.Die ursprünglichen algerischen Muttersprachen findet man in der volkstümlichen Geschichten und Gedichten sowie Sprüche und Weisheiten wieder. Diese Sprachen sollten wir bewahrten und weiterentwickeln. Ein Volk ohne Kenntnis seiner Geschichte, seines Ursprungs und seiner Kultur ist wie ein Baum ohne Wurzeln.