Algerischer Sozialismus
Algerischer Sozialismus (1962 – 1989)
Der Exodus von einer Million Algerien-Franzosen nach der Unabhängigkeit war nicht nur ein Schock für die Betroffenen, sondern bedeutete auch einen starken Aderlass von Fachkräften, der bis heute nachwirkt. In die verlassenen Häuser und Wohnungen rückten Kämpfer der FLN oder Algerier ein, die sich irgendwie Zugang verschafften. Die Machtkämpfe in der FLN brachen nun offen aus. Der FLN-Führer Ahmed Ben Bella wurde erster Präsident und erklärte Algerien zu einer sozialistischen und islamischen Nation: Verstaatlichung der Wirtschaft, Einheitspartei und Gleichschaltung der Medien.
Ben Bella wurde von Houari Boumedienne gestürzt. Ben Bella war zwar populär, stand aber den Ambitionen Boumediennes im Weg.
Boumedienne war 13 Jahre im Amt; er versuchte, das Land mit den Erlösen aus dem Erdöl-Export zu industrialisieren und bestellte in aller Welt schlüsselfertige Produktionsstätten, insbesondere im Bereich Eisen und Stahl. Die erzwungene Industrialisierung brachte große soziale Verwerfungen mit sich, z.B. eine enorme Urbanisierung, und letztlich mussten viele der Großbetriebe und Kombinate wieder geschlossen werden, der große Sprung nach vorn gelang nicht. Stattdessen verfestigten sich die Machtstrukturen mit der Armee und der Staatspartei FLN als Hauptprofiteure, die die Renditen aus dem Öl- und Gasgeschäft unter sich aufteilten.
Mitte der 80er Jahre wurde das Scheitern des sozialistischen Entwicklungsmodells Boumediennes offensichtlich. Für die importierte Schwerindustrie war wenig Bedarf vorhanden und es gab gravierende Management- und Qualitätsprobleme. Zudem war zugunsten der Schwerindustrie die Erzeugung von Gütern des täglichen Bedarfs und die Landwirtschaft vernachlässigt worden. Diese wurde nach sozialistischem Muster kollektiviert; die Produktion sank daraufhin in den 70er Jahren auf ein Fünftel des Standes vor der Unabhängigkeit. Lebensmittel und Gebrauchsgüter wurden im großen Stil importiert statt selbst produziert. Paradoxerweise hatte der Versuch, das Land durch den Aufbau der Schwerindustrie unabhängig zu machen, zu mehr Abhängigkeit vom Ausland geführt.
Zwar korrigierte nach dem Tode Boumediennes seit 1979 dessen Nachfolger Chadli Benjedid einige Fehlentwicklungen und nahm Abschied von den Illusionen Boumediennes. Doch die Erblast Boumediennes wog schwer (Urbanisierung, Jugendarbeitslosigkeit, Wohnungsnot). Zudem sank in der zweiten Hälfte der 80er Jahre der Ölpreis, so dass das Regime sich zunehmend seiner Ressourcen für die Versorgung der Bevölkerung beraubt sah, während es sich die Eliten des Regimes aus Militär und FLN weiterhin sehr gut gehen ließen. Algerien als Staat war im Zuge der fallenden Öl- und Rohstoffpreise zeitweise zahlungsunfähig und musste sich 1994 an den IWF wenden und ein Restrukturierungsprogramm akzeptieren. Quelle: wikipedia.org