5 Juli 1962 – die Unabhängigkeit für Algerien
Nach 8 Jahren blutigen Befreiungskampfes erklärt Algerien am 5. Juli 1962 seine Unabhängigkeit von Frankreich. Der Unabhängigkeitskrieg hatte rund 1.5 Millionen Algerier und rund 25.000 Franzosen das Leben gekostet. Über eine Million Algerien-Franzosen, die sog. Pieds Noirs, verließen daraufhin ihre Heimat. Der Algerienkrieg war einer der blutigsten Befreiungskriege des 20. Jahrhunderts – dabei war Algerien offiziell gar keine Kolonie sondern französisches Staatsgebiet.
Mit den Verträgen von Evian endete am 18. März 1962 der Algerienkrieg. Nach 132 Jahren französischer Herrschaft hat sich das nordafrikanische Land die Unabhängigkeit erkämpft. Die Entkolonialisierung im frankophonen Afrika ist zwar einen gewaltigen Schritt vorangekommen, doch forderte sie auch zahlreiche Opfer. Eines Kampfes, der in Frankreich bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts nicht “Algerien-Krieg” genannt werden durfte. In französischen Schulbüchern war noch über Jahrzehnte verharmlosend von “den Ereignissen in Algerien” die Rede. Die “Ereignisse”, das waren brutale Säuberungsaktionen in Dörfern, wo Befreiungskämpfer vermutet wurden, das waren Folter und Massaker. Der französische Historiker Benjamin Stora nennt es „einen der blutigsten Befreiungskriege in der Zeit der Entkolonialisierung“. Dieser kostete hunderttausende Algerier das Leben und rund eine Million in Algerien lebende Franzosen mussten das Land verlassen.
132 Jahre hatte die französische Herrschaft gedauert
egen des Krieges, der nicht Krieg genannt werden durfte, wurde in Frankreich wieder die Wehrpflicht eingeführt. Zu Beginn standen 450.000 französische Soldaten rund 25.000 bewaffneten Unabhängigkeitskämpfern gegenüber. Präsident Charles de Gaulle meinte noch 1958, das Problem mit militärischer Übermacht lösen zu können. Drei Jahre später musste de Gaulle seine Position korrigieren. Obwohl anders denkende Offiziere vom Geheimbund OAS gegen den Präsidenten putschten und 1960 in der Hauptstadt Algier selbst mit Barrikaden gekämpft wurde. Die algerische Befreiungsorganisation FLN erhöhte mit Bombenanschläge in den Europäervierteln der grossen Städte den Druck.
Zu den Verlierern dieser algerischen Unabhängigkeit gehörten die sogenannten “pieds noirs”. Knapp eine Million französische Siedler, die seit Generationen in Algerien lebten. Ihnen musste Frankreich quasi über Nacht eine neue Heimat bieten. „Es waren überwiegend ´kleine Leute´“, sagt der Historiker. „Kleine Beamte, Handwerker, Händler, Weinbauern, die da in den Strudel der Geschichte gerieten.“
Zur Geschichte dieses Befreiungskrieges gehören auch Anschläge in Frankreich und brutale Gewalt gegen die dort lebenden Algerier. Der Historiker spricht von „Amnestie und Amnesie“ – also Vergeben und Vergessen, das aber nicht funktionieren kann. Er sieht die Erinnerung 50 Jahre später stärker aufleben als zuvor. Amnestie bedeutet, dass kein Franzose, der in Algerien gefoltert hat, später dafür belangt werden konnte. Absolute Verlierer von Krieg und Unabhängigkeit sind die Harkis, jene Algerier, die an der Seite der französischen Kolonialherren gekämpft hatten. Nur ein Teil von ihnen schaffte es rechtzeitig auf eine Fähre nach Frankreich. Tausende bekamen die Rache der Sieger zu spüren, wurden samt Familie getötet. Noch heute leben in Frankreich zwei algerische Gemeinschaften strikt getrennt. Noch heute hört man von den Enkeln der Befreiungskämpfer der FLN, sie würden nie dem Enkel eines Harki die Hand geben.
Proklamation der Unabhängigkeit Algeriens am 03. Juli 1962
Staatspräsident Charles de Gaulle hat am 03. Juli 1962 die Unabhängigkeit Algeriens proklamiert. Grundlage der Entlassung Algeriens ist der Vertrag von Evian, der im März ausgehandelt worden ist. Er sieht einen Waffenstillstand im Algerienkrieg vor. Die Kämpfe sind seit 1954 zwischen Franzosen und der Unabhängigkeitsbewegung FLN mit großer Härte geführt worden. De Gaulle garantiert Algerien finanzielle Unterstützung und sichert Frankreich im Gegenzug weiterhin Zugang zu den Erdölvorkommen und zu den Häfen Algeriens. Die Algerier bestätigen das Abkommen und die Unabhängigkeit von Frankreich in einer Volksabstimmung mit 99,97 Prozent Zustimmung. Als de Gaulle die Unabhängigkeit proklamierte, siedelte die Provisorische Algerische Regierung (GPRA) aus dem tunesischen Exil nach Algier über. Ihr Ziel war es, unter der politischen Führung von Yousuf Ben Khedda ein demokratisches Algerien zu bilden. Ahmed Ben Bella, der stellvertretende Ministerpräsident der GPRA, hatte allerdings andere Pläne: Er wollte einen volksdemokratischen Staat marxistischer Prägung. Sein Programm sah u.a. die Enteignung der französischen Siedler vor und barg damit neue Konflikte in sich.
Ben Bella zog die Befreiungsbewegung Front de libération nationale (FLN) auf seine Seite und schaffte es mit deren Unterstützung, Teile Algeriens zu besetzen. Es kam zum Bruch zwischen den Gruppierungen, die gemeinsam für die Freiheit und Unabhängigkeit ihres Landes gekämpft hatten. Ben Bella etablierte im Folgenden die Herrschaft der FLN und verfolgte einen islamisch geprägten Sozialismus, behielt die Zusammenarbeit mit Frankreich aber bei. Ahmed Ben Bella gehörte 1954 zu den Organisatoren des algerischen Aufstands und zu den Gründern der Nationalen Befreiungsfront FLN. 1956 von den Franzosen entführt, blieb er bis zum Waffenstillstand von 1962 in Haft. Nach der Unabhängigkeit Algeriens (5. Juli 1962) wurde er Staats- und Parteichef.