El Gusto – Ein außergewöhnliches Band-Revival
In Algierien vor Ausbruch des Befreiungskriegs 1954 machten muslimische und jüdische Musiker gemeinsam Chaabi-Musik. Die junge algerisch-irische Regisseurin Safinez Bousbia hat nun ihre Geschichte und die der Chaabi-Musik in dem preisgekrönten Film „El Gusto“ dokumentiert.
„El Gusto“ (Die Leidenschaft) ist ein außergewöhnliches Band-Revival und eine Hommage auf religiöse Toleranz. In ihrem Debütfilm folgt die Regisseurin dem 73-jährigen Gitarristen Mustafa Tahmi durch die Gassen Algiers. Er erinnert sich an die Zeit, als jüdische und muslimische Musiker hier noch gemeinsam den Chaâbi zu Hochzeiten, Beerdigungen, Festen spielten. Durch die Wirren des Unabhängigkeitskrieges und durch das Exil auseinandergerissen, kommt die Gruppe nach über 50 Jahren wieder zusammen. Und in einem fulminanten Konzert in Marseille feien sie ihre gemeinsame Liebe zur Musik des Chaâbi. Muslimische und jüdische Musiker erinnern sich in dem Film „El Gusto“ an die frühen 1950er Jahre. Damals spielten sie in den Cafés und Bars der Altstadt von Algier gemeinsam Chaabi-Musik. Der Chaabi – von „Chaab“, dem arabischen Wort für „Volk“ – ist eine populäre Musik, die in der Kasbah geboren wurde und ihre größte Beliebtheit nach dem Zweiten Weltkrieg erlangte.
Muslime und Juden spielten diesen „Blues des Maghreb“ gemeinsam. Das entsprach alten Traditionen: Schon immer hatten in Algerien Juden und Muslime gemeinsam musiziert, selbst bei religiösen Feierlichkeiten. Chaabi ist vordergründig eine Mischung aus andalusischer Musik und Latin mit arabischen Liedtexten, basierend auf der Rhythmik Schwarzafrikas und der Musik der Berber. Doch entstehen konnte er nur durch die kulturelle Durchmischung seiner Interpreten. Und so scheinen im Chaabi Jazz und französische Melodien ebenso durch wie jüdische oder arabische Klänge. Maurice El Médioni, ein maghrebinisch-jüdischer Pianist, hat den Chaabi einmal so beschrieben: „Meine rechte Hand spielte algerische Musik, meine linke Hand Boogie Woogie.“
Bei einer Reise in die alte Heimat entdeckte die irisch-algerische Filmemacherin Safinez Bousbia in einem Laden ein vergilbtes Foto mit Chaabispielern. Der Ladenbesitzer war einer von ihnen gewesen und erzählte von den alten Zeiten. Die Regisseurin beschloss, die alten Männer, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen hatten, zu einem Auftritt wieder zusammenzubringen. Ein mühsames Unterfangen. „Ich musste mich von Tür zu Tür durchfragen“, erzählt Bousbia. „Glücklicherweise kannten sich die Menschen in der Nachbarschaft, auch wenn ihnen oft nicht bewusst war, dass es sich bei den alten Männern um einstmals gefeierte Musiker handelte.“ Am Ende hatte die Filmemacherin, deren Eltern Algerien in den Siebzigerjahren verlassen haben, 30 Musiker ausfindig gemacht, die bereit waren, die Musik von damals wieder erklingen zu lassen, unter ihnen auch Abdel Hali Halo, Dirigent und Sohn des legendären Mohamed El Ankah, des „Vaters“ des Chaabi. 2003 trafen sich die Musiker im Nationaltheater von Algier zum Reunion-Konzert. Doch eine echte Wiedervereinigung war das Konzert in Algier nicht. Es fehlten die jüdischen Musiker. Erst 2007, 45 Jahre nachdem sie sich zuletzt gesehen hatten, kam es zur lang ersehnten Wiedervereinigung. Das Konzert musste in Marseille stattfinden, weil die jüdischen Chaabi-Musiker keine Einreisegenehmigung für Algerien bekommen hatten.
Im Film «El Gusto» erzählen muslimische und jüdische Musiker nostalgisch von ihrer Liebe zur algerischen Chaabi-Musik. In den 1950er Jahren haben sie diese Musik gespielt, zunächst in den Cafés, Friseurläden und Bordellen, schliesslich im Opernhaus von Algier. Nach der Unabhängigkeit Algeriens allerdings haben sich die Musiker aus den Augen verloren. Sie sind entweder nach Frankreich migriert, wurden in Algerien ins Gefängnis geworfen oder zwangsumgesiedelt. Ein nostalgischer Film der Filmemacherin Safinez Bousbia über Freundschaft und die grosse Kraft der Musik.
Safinez Bousbia (1981*) ist eine algerisch-irische Filmemacherin und Produzentin. Sie studierte Architektur und Design in Oxford und Dublin. 2003 begegnete sie in Algier der Geschichte der Chaâbi-Musiker, die sie in ihrem preisgekrönten Filmdebüt »El Gusto« zeigt. Beim Abu Dhabi Filmfestival 2011 erhielt sie u. a. den Preis für die »Beste arabische Regisseurin«. Quelle: norient.com
Der Film:
Land Algerien/Vereinigte Arabische Emirate/Irland/Frankreich
Länge 90 min
Produktionsjahr 2011
Produktionsfirma –
Regisseurin Safinez Bousbia