Assia Djebar – algerische Schriftstellerin und Historikerin
Assia Djebar, (bürgerlich Fatima-Zohra Imalayène; * 30. Juni 1936 in Cherchell bei Algier; † 6. Februar 2015 in Paris), algerische Autorin, Historikerin, Filmemacherin und Hochschullehrerin war die Grande Dame der frankophonen Maghreb-Literatur.
Sie ist Symbolfigur für Generationen schreibender Frauen in der arabischen Welt. Sie galt als eine der renommiertesten und einflussreichsten Autorinnen des Maghreb. Ihre Art zu erzählen, war mutig, klug und geistreich. Deshalb wurde sie immer wieder als Anwärterin auf den Literatur-Nobelpreis gehandelt. Sie lehrte an Universitäten in Algerien, Frankreich und den USA. Mit einem für eine Frau aus der arabischen Welt wohl einmaligen Bildungsweg, dessen erste Schritte sie 1985 in den ersten Zeilen ihres historischen Romans L’Amour la Fantasia(1985, dt. 1989:Fantasia) beschreibt:“Ein kleines arabisches Mädchen geht zum ersten Mal zur Schule, an einem Herbstmorgen, an der Hand ihres Vaters. Er, den Fez auf dem Kopf, eine große, aufrechte Gestalt in einem Anzug nach europäischem Schnitt, trägt eine Schulmappe. Er ist Lehrer an der französischen Schule. Ein kleines arabisches Mädchen in einem Dorf im algerischen Sahel.“*
Ohne die Aufgeschlossenheit dieses Vaters, eines Studienkollegen von Mouloud Feraoun, wäre ihr Leben wohl anders verlaufen, wäre sie spätestens nach dem Besuch von Grund- und Koranschule, wie Cousinen und Freundinnen, hinter dem Schleier verschwunden. Doch sie ist privilegiert, darf ihre Begabung entfalten und wird immer wieder zur Vorreiterin, ihres Landes, ihres Geschlechts, ihres Kontinents, über 60 Jahre hinweg: 1946 ist sie am Gymnasium von Blida eine von fünf „Eingeborenen“ inmitten hunderter französischer Schülerinnen; 1955 wird sie als erste algerische Studentin an der Pariser Elite-Uni ENS zugelassen.
Im Alter von 18 Jahren ging sie nach Frankreich, wo sie als erste Algerierin an einer Eliteuniversität aufgenommen wurde. Aus Solidarität mit dem algerischen Befreiungskampf ging sie auf die Straße und schrieb 1957 in nur zwei Monaten ihren ersten Roman: „La Soif“, der 1993 unter dem Titel „Die Zweifelnden“ auf Deutsch erschien. Das Debüt war gleich ein Erfolg und machte sie berühmt. Ein Jahr später folgte „Les Impatients“ („Die Ungeduldigen“). Djebar schrieb mehr als 15 Romane sowie Kurzgeschichten und Gedichte. Ihre Bücher, die sie auf Französisch schrieb, wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt. Ihre Romane und Filme handeln von der Geschichte ihres Heimatlandes, vom Kolonialismus und der Rolle der Frau in der islamischen Welt. Die 78-Jährige wurde in ihrem Land zum Symbol weiblicher Emanzipation. Für Aufsehen sorgte Djebar 1996 mit dem Roman „Weißes Algerien“, der besonders politisch geprägt ist. Auf 240 Seiten beschrieb sie zugleich ihr Entsetzen über die Kontinuität der Gewalt und die Liebe zu ihrem Heimatland.
International mit Preisen geehrt
Djebar galt als eine der renommiertesten und einflussreichsten Autorinnen aus dem Maghreb und wurde in den vergangenen Jahren mehrfach als Anwärterin für den Literaturnobelpreis gehandelt. Sie lehrte an Universitäten in Algerien, Frankreich und den USA. Für ihr Gesamtwerk wurde sie 1996 von einer internationalen Jury an der Universität von Oklahoma mit dem bedeutendsten Literaturpreis der USA, dem Neustadt-Literaturpreis, ausgezeichnet. Im Jahr 2000 erhielt sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, der ihr zuerkannt wurde, weil sie eine mutige Frau sei, die ihre Wut über Terror und Gewalt laut werden lasse wie einen Schrei um Hilfe.
2005 wurde sie in die renommierte Académie française aufgenommen. Für ihren ersten Film „La Nouba des Femmes du Mont Chenoua“ bekam sie 1979 den Kritikerpreis bei den Filmfestspielen in Venedig, ihr Dokumentarfilm „La Zerda ou les chants de l’oubli“ erhielt bei der Berlinale 1982 einen Sonderpreis der für den besten historischen Film. Für Djebar selbst war Schreiben ein „Alarmsignal“, eine Zwiesprache mit den Opfern der Gewalt. „Solange man lebt, durchströmt einen das Bedürfnis zu erzählen als einziger Antrieb.“ Quellen: www.dw.de, wikipedia.org
Bibliographie
»Durst« Roman Aus dem Französischen von Rudolf Kimmig Unionsverlag, Zürich 2002 160 S.
»Der erwiderte Blick« von Elisabeth Arend, Fritz P. Kirsch und Assia Djebar Verlag Königshausen und Neumann, Würzburg 1998 208 S.
»Europas islamische Nachbarn« Studien zur Literatur und Geschichte des Maghreb von Assia Djebar et al., hrsg. v. Ernstpeter Ruhe Verlag Königshausen u. Neumann, Würzburg 1993 232 S.
»Europas islamische Nachbarn« Studien zur Literatur und Geschichte des Maghreb Von Albert Memmi, Assia Djebar und Abdelwahab Boudjedra Verlag Königshausen u. Neumann, Würzburg 1995
»Europas islamische Nachbarn« Studien zur Literatur und Geschichte des Maghreb Verlag Königshausen u. Neumann, Würzburg 2001 214 S.
»Fantasia« Roman Unionsverlag, Zürich 1993 336 S.
»Fern von Medina« Roman Unionsverlag, Zürich 1997 400 S.
»Frau ohne Begräbnis« Roman Aus dem Französischen von Beate Thill Unionsverlag, Zürich 2004 208 S.
»Die Frauen von Algier« Roman Aus dem Französischen von Alxandra von Reinhardt Unionsverlag, Zürich 1999 (6. Aufl. 2001) 192 S.
»Nächte in Strassburg« Roman Aus dem Französischen von Beate Thill Unionsverlag, Zürich 2002 272 S.
»Oran – Algerische Nacht« Roman Aus dem Französischen von Beate Thill Unionsverlag, Zürich 2003 ca. 256 S.
»Die Schattenkönigin« Roman Unionsverlag, Zürich 1991 (9. Aufl. 2001) 224 S.
»Die Ungeduldigen« Roman Aus dem Französischen von Wilhelm M. Lüsberg Unionsverlag, Zürich 2000 268 S.
»Das verlorene Wort« Roman Aus dem Französischen von Beate Thill Unionsverlag, Zürich 2004 256 S.
»Weisses Algerien« Roman Aus dem Französischen von Hans Thill Unionsverlag, Zürich 2000 276 S.
»Weit ist mein Gefängnis« Roman Aus dem Französischen von Hans Thill Unionsverlag, Zürich 2000 284 S.
»Der zerissene Schleier« Das Bild der Frau in der algerischen Gegenwartsliteratur Institut für Kirche und Gesellschaft 1996 236 S.
La femme sans sépulture. (Franz. 2002); Frau ohne Begräbnis. Unionsverlag, Zürich 2003,
La disparition de la langue francaise. (Franz. 2003); Das verlorene Wort. Unionsverlag, Zürich 2004, Rezension von Farah Hindeja 2004
Nulle part dans la maison de mon père. (Franz. 2007);Nirgendwo im Haus meines Vaters. Fischer, Frankfurt a.M. 2009, (Autobiografische Erzählung bis z. 17. Lebensjahr)