Märchenreihe Maghreb #20 – Der Kameltreiber und seine Kamele
Jeden Freitag stellt uns der Geschichtenerzähler und Autor Naceur-Charles Aceval ein Märchen aus seinen Büchern vor und entführt uns mit seinen Geschichten und Weisheiten in die Märchenwelt des Maghreb.
„Menschen kommen, Menschen gehen! Allein das Wort reist und bleibt und erreicht immer sein Ziel.“ so fangen immer die Erzählungen von Naceur-Charles Aceval an, welche der Erzähler direkt aus dem Mund seiner Mutter gehört und die ihn von Kindheit an tief geprägt haben. Es sind die Geschichten und Märchen aus der Welt der Nomaden und dem Nomadenzelt seiner Kindheitstage und Vorfahren in den Hochebenen Algeriens, zwischen Meer und Wüste, zwischen Nomaden und Seßhaften, die direkt aus der mündlichen Erzähltradition des Maghreb entstammen.
Der Kameltreiber und seine Kamele
Aus dem Buch „Kleine Märchen, große Weisheiten“, Mai 2017, Papermoon-Verlag. Bestellung direkt bei Naceur-Charles Aceval.
Es war einmal ein alter Nomade, der spürte, dass er bald sterben musste. Er bat seine Kinder ihn zu seinen Kamelen zu bringen, damit er von ihnen Abschied nehmen könne. Seine Kinder legten ihn auf eine Bahre und trugen ihn zu seinen Kamelen. Mit zittriger Stimme sagte der Kameltreiber:
„Meine lieben, treuen Freunde, meine Stunde ist gekommen und ich werde bald diese Erde verlassen. Bevor ich vor den Allmächtigen trete, möchte ich mich von euch verabschieden und euch vor allem um Verzeihung bitten. Ihr wart immer da und habt mir und meiner Familie ein gutes Leben ermöglicht.“ Die Kamele schauten ihn an und er fuhr fort:
„Ich bitte um Vergebung, ich habe euch sicher zu wenig zum Fressen gegeben.
Ich habe euch sicher oft zu wenig zu trinken gegeben und auch sicherlich zu schwer beladen.
Für all das bitte ich euch um Vergebung.“
Nach einer kurzen Stille erwiderten die Kamele einstimmig:
„Ja, das stimmt, du hast uns oft zu wenig zu fressen gegeben. Das vergeben wir dir!
Auch hast du uns zu wenig zu trinken gegeben und zu schwer beladen hast du uns immer. All das vergeben wir dir!
Nur eines werden wir dir niemals vergeben: Dass du uns als Leittier einen Esel vorangeschickt hast! Dies können wir dir niemals vergeben.“