Interview mit dem Märchenerzähler Naceur-Charles Aceval
Die Redaktion von Maghreb Magazin hat mit dem Märchenerzähler und Autor Naceur-Charles Aceval gesprochen. Das Interview fand statt, nachdem das Maghreb Magazin ein Dutzend Geschichten aus seinen Büchern im Rahmen einer Märchenreihe veröffentlicht hat.
Maghreb Magazin: Herr Aceval, Sie haben bis jetzt Ihren Lesern ein Dutzend Geschichten aus Ihren Büchern vorgestellt. Wie waren bisher Rückmeldungen?
Herr Aceval: Die Rückmeldungen waren und sind sehr positiv.
Maghreb Magazin: Herr Aceval, Sie erzählen nun schon seit über 10 Jahren begeistert Märchen. Woher kommt Ihre Begeisterung für Märchen und was fasziniert Sie so an Märchen und am Märchenerzählen?
Herr Aceval: Märchen waren immer ein Teil meines Lebens, vor allem in meiner Kindheit. Sie waren wie das tägliche Brot, teilweise ersetzten sie die Mahlzeiten. Denn während des Algerienkrieges lebten wir sechs Kinder alleine mit unserer Mutter in großer Armut. Wenn es abends nichts zu essen gab und Schüsse zu hören waren, erzählte unsere Mutter Märchen, damit wir den Hunger und die Angst vergaßen.
Maghreb Magazin: Wann haben Sie Ihre Leidenschaft zum Märchen entdeckt?
Herr Aceval: Wieder entdeckt, denn die Märchen waren ein ständiger Begleiter. Sie schlummerten lange Zeit in mir, bis sie nach vielen Jahren während einer Lebenskrise wieder zum Vorschein kamen. Ich kann behaupten, sie waren meine Rettung.
Maghreb Magazin: Was können Sie uns über den „Märchenerzähler“ an sich berichten? War das mal ein richtiger Beruf?
Herr Aceval: Es ist mehr eine Berufung als ein Beruf. Im Prinzip ist jeder Mensch ein Erzähler, aber nur eine bestimmte Anzahl von Menschen ist dazu berufen Geschichten zu erzählen. Es ergibt sich, dass manche Frauen und Männer mehr behalten können als andere und ihre Aufgabe besteht darin diese Weisheiten und Botschaften an jüngere Generationen weiter zu geben.
Maghreb Magazin: Es gibt ja Märchenerzähler, die recht frei vortragen und dabei auch die Märchen durchaus verändern, und welche, die sich genau an die Märchentextvorlage halten. Welche Haltung haben Sie dazu? Wie bereiten Sie sich persönlich auf das Märchenerzählen vor?
Herr Aceval: Ich persönlich gehöre zu den Erzählern die frei erzählen. Schon als Kind habe ich dieses Erbe von Frauen und Männern meines Stammes bekommen, die nicht lesen und schreiben konnten. Es ist ganz natürlich, dass jeder Erzähler nach den Bildern, die in seinem Kopf entstehen erzählt, ohne die Botschaft der Geschichte zu verändern. Es gibt auch Erzähler, die ich früher nicht kannte, die auswendig lernen und nach Textvorlage erzählen. Oft benutzen sie auch Musikinstrumente und viel die Mimik und Gestik. Sie machen es sehr gut, aber ich könnte das nicht. Bevor ich ein Märchen in mein Repertoire aufnehme, muss eine innige Beziehung zwischen uns bestehen. Ich gehe auf die Felder, übersetze und erzähle. Es kann Wochen, Monate, ja sogar Jahre dauern, bis die Geschichte in mir lebt und Gestalt annimmt. Dann bin ich bereit sie weiterzugeben. Dabei nicht zu vergessen, dass ich vorher immer die Ahnen herbeirufe. Ich benutze oft ihre Weisheiten und Worte, oft in meiner Muttersprache.
Maghreb Magazin: Gab es mal jemanden, den Sie nicht erreichen konnten oder im Gegenteil stark geprägt haben?
Herr Aceval: Selten. Menschen die zu einem Märchenabend kommen sind in der Regel ein Teil der Reise. Ja ich behaupte sogar wichtiger als der Erzähler. Jeder fühlt sich angesprochen und nimmt etwas für sich mit. Was die Leute betrifft, die meine Geschichten geprägt haben, gibt es viele. Ein paar davon haben eine Reise in die Wüste unternommen. Einmal nach Jordanien, Palästina und in das Hoggargebirge in Algerien. Das Besondere sind die vielen Freundschaften, die dadurch entstanden sind.
Maghreb Magazin: Symbolisch steht die Zahl 12 für Vollkommenheit und Vollständigkeit. Es wurden bis jetzt ein Dutzend Geschichten im Rahmen der Märchenreihe im Maghreb Magazin veröffentlicht. Wollen Sie noch Ihre Leser mit einem weiteren Dutzend Geschichten begeistern und damit die Märchenreihe beenden?
Herr Aceval: Ich bin froh und dankbar, dass das Maghreb-Magazin meine Geschichten veröffentlicht. Wenn die Zahl 12, wie Sie sagen, für Vollkommenheit und Vollständigkeit steht, würde ich die Märchenreise gerne noch fortsetzen.
Maghreb Magazin: Danke Herr Aceval!