Die Leiden des letzten Sijilmassi von Fouad Laroui
Die Leiden des letzten Sijilmassi von Fouad Laroui. Aus dem Französischen von Christiane Kayser. Merlin Verlag, Gifkendorf, 2016.
Maghreb Magazin stellt regelmäßig Bücher aus und über dem Maghreb vor. Dazu zählen ausgewählte Werke der Literatur auf Deutsch und ins deutscher Übersetzung, deren Handlung im Maghreb spielt oder dort ihre Wurzeln haben. Die maghrebinische Literatur ist geprägt von der Kolonialgeschichte, Exil und Migration, Fundamentalismus, aber auch Hoffnung auf Veränderung und umfasst Literatur in verschiedenen Sprachen – arabischen, französischen und amazighischen – mit verschiedenen Stilen und Themen sowie historischen Hintergründen. Sie zeichnet sich durch einen hohen Grad an Welthaltigkeit und führt den Leser so in eine andere Region mit all ihren Verwerfungen, Brüchen, Katastrophen…
Verglichen mit der jungen arabischsprachigen Literatur des Maghreb erfreut sich die frankophone Literatur zweifellos eines großen Ruhms auf der ganzen Welt. Die französisch geschriebene Literatur des Maghreb gilt als eine lebendige Auseinandersetzung mit Tradition, Geschichte und aktuellen Lebensbedingungen. Als Tahar Ben Jelloun, der meisübersetzte und prominenteste marokkanische Gegenwartsautor, 1987 mit dem Prix Goncourt für seinen Roman „Die Nacht der Unschuld“ ausgezeichnet wurde, hat dies der gesamten Maghrebliteratur einen Popularitätsschub beschert. Die frankofone Literatur des Maghreb ist seitdem im deutschen Sprachraum verstärkt wahrgenommen worden, besonders nachdem maghrebinische Autorinnen und Autoren französischer Sprache mit wichtigen internationalen Preisen ausgezeichnet wurden, u.a. Tahar Benjelloun, Kateb Yassine, Assia Djebbar, Boualem Sansal, Hédi Kaddour, Kamel Daoud, Yasmina Khadra uvm. Einige couragierte Verlage (etwa Verlag Donata Kinzelbach, Unionsverlag, Lenos, Eichborn, Rotbuch, Edition Orient) haben vornehmlich marokkanische, algerische und tunesische Autoren in guten Übersetzung in ihrem Programm. Der Verlag Donata Kinzelbach hat in 30 Jahren Existenz 122 Titel von 68 Autoren aus dem Maghreb herausgebracht.
Fouad Laroui – Die Leiden des letzten Sijilmassi
Die Leiden des letzten Sijilmassi von Fouad Laroui. Aus dem Französischen von Christiane Kayser. Merlin Verlag, Gifkendorf, 2016. 288 S. ISBN 978-3-87536-322-7
Ingenieur Adam Sijilmassi hat bereits alles erreicht, wovon sich sein Großvater Hadj Maati im entlegenen Azemmour nie hätte träumen lassen: Ausgestattet mit den besten Diplomen internationaler Universitäten ist sein Weg als erfolgreiches Mitglied der feinen marokkanischen Elite vorgezeichnet. Schon winkt die Führungsposition in einem weltweit agierenden Industriekonzern. Doch dann passiert es. Auf dem Rückflug von einer Geschäftsreise in Asien überkommt es ihn hinterrücks: Was um Himmels Willen tut er da eigentlich, 30.000 Fuß über der Andamanen-See, in einer umweltverpestenden Blechbüchse, die mit 900 Stundenkilometern durch den Himmel rast? Und warum nur diese Eile? Bei der Landung in Casablanca hat Adam entschieden: er wird sein Leben grundsätzlich ändern.
Der Roman „Die Leiden des letzten Sijilmassi“ des marokkanischen Autors Fouad Laroui ist die Geschichte einer Midlife-Crisis ganz besonderen Art. In »Die Leiden
des letzten Herrn Sijilmassi«, treibt der Autor ein köstlich-amüsantes Spiel mit den verschiedenen Sprach-, Denk- und Lebenskonzepten in seinem Land. Herr Sijilmassi weiß nicht, ob er sich als moderner, vom Takt der Globalisierung getriebener Zeitgenosse entschleunigen oder als postkolonialer Marokkaner von der intellektuellen Kolonisierung durch die französische Sprache, Literatur und Bildung befreien will. Jedenfallswirft er von heute auf morgen seinen gut bezahlten Job hin, gibt Ehe und Wohnung auf und macht sich zu Fuß von Casablanca auf ins buchstäblich Innere
seiner wahren Heimat.
Die Leiden des letzten Sijilmassi erzählt vom Konflikt einer ganzen Generation von Menschen, deren kulturelle Wurzeln in der muslimischen Welt liegen und die zugleich durch einen Bildungs- und Berufsweg in der westlich aufgeklärten Welt sozialisiert sind. Während sie für sich selbst noch versuchen, einen versöhnlichen Weg des Kompromisses vermeintlich gegensätzlicher Kulturen zu finden, sind sie längst zum Spielball zwischen den Fronten geworden.
“Leser und Literaturkritiker waren verwundert über die vielen literarischen Zitate in diesem Werk. Sie hatten den Eindruck, einer von zwei Sätzen sei ein Zitat”, beschreibt Laroui den Collage-Stil den er einsetzt; fast wie ein Rapper der Zitate sampelt.
“Ich wollte etwas veranschaulichen, was mir wichtig ist: Unsere Identität ist teilweise geprägt von unseren Lektüren (…) Anders ausgedrückt: unsere Welt ist in Teilen das Ergebnis unserer Lektüren”, fügt Laroui hinzu.
Über den Autor
Fouad Laroui (geb. 1958 in Oujda, Marokko) durchlief in seiner Heimat Marokko den französischen Bildungsweg (Lycée Lyautey de Casablanca) bevor er an der École nationale des Ponts et Chaussées in Paris als Ingenieur diplomiert wurde und später in Wirtschaftswissenschaften promovierte. Er leitete zunächst eine Mine in Marokko, hängte dann aber seine Karriere als Ingenieur an den Nagel und ging nach England. Heute lebt er in Amsterdam, wo er an der Universität erst Umweltwissenschaften lehrte, inzwischen aber französische Literatur und Philosophie unterrichtet. Neben seiner Lehrtätigkeit arbeitet Laroui als Literaturkritiker und Schriftsteller. Er hat bislang acht Romane veröffentlicht und viele Essais und Erzählungen. Für seine Werke wurde Laroui bereits mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem prix Albert Camus, dem prix Méditerranée, dem prix du meilleur roman francophone, dem prix Goncourt de la nouvelle. Larouis jüngster Roman Les tribulations du dernier Sijilmassi stand auf der Auswahlliste für den prix Goncourt 2014.
Die Romane und Erzählungen des marokkanischen Schriftstellers Fouad Laroui handeln von der Identität des Einzelnen in einer globalisierten Welt, von Konfrontation und Dialog zwischen den Kulturen und davon, wie sich ein Individuum im Konflikt mit der Gruppe verhält.