Die Gabe der Leere von Mohammed Bennis
Die Gabe der Leere von Mohammed Bennis. Aus dem Arabischen von Stephan Milich. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser 2012.
Maghreb Magazin stellt regelmäßig Bücher aus und über dem Maghreb vor. Dazu zählen ausgewählte Werke der Literatur auf Deutsch und ins deutscher Übersetzung, deren Handlung im Maghreb spielt oder dort ihre Wurzeln haben. Die maghrebinische Literatur ist geprägt von der Kolonialgeschichte, Exil und Migration, Fundamentalismus, aber auch Hoffnung auf Veränderung und umfasst Literatur in verschiedenen Sprachen – arabischen, französischen und amazighischen – mit verschiedenen Stilen und Themen sowie historischen Hintergründen. Sie zeichnet sich durch einen hohen Grad an Welthaltigkeit und führt den Leser so in eine andere Region mit all ihren Verwerfungen, Brüchen, Katastrophen…
Verglichen mit der jungen arabischsprachigen Literatur des Maghreb erfreut sich die frankophone Literatur zweifellos eines großen Ruhms auf der ganzen Welt. Die französisch geschriebene Literatur des Maghreb gilt als eine lebendige Auseinandersetzung mit Tradition, Geschichte und aktuellen Lebensbedingungen. Als Tahar Ben Jelloun, der meisübersetzte und prominenteste marokkanische Gegenwartsautor, 1987 mit dem Prix Goncourt für seinen Roman „Die Nacht der Unschuld“ ausgezeichnet wurde, hat dies der gesamten Maghrebliteratur einen Popularitätsschub beschert. Die frankofone Literatur des Maghreb ist seitdem im deutschen Sprachraum verstärkt wahrgenommen worden, besonders nachdem maghrebinische Autorinnen und Autoren französischer Sprache mit wichtigen internationalen Preisen ausgezeichnet wurden, u.a. Tahar Benjelloun, Kateb Yassine, Assia Djebbar, Boualem Sansal, Hédi Kaddour, Kamel Daoud, Yasmina Khadra uvm. Einige couragierte Verlage (etwa Verlag Donata Kinzelbach, Unionsverlag, Lenos, Eichborn, Rotbuch, Edition Orient) haben vornehmlich marokkanische, algerische und tunesische Autoren in guten Übersetzung in ihrem Programm. Der Verlag Donata Kinzelbach hat in 30 Jahren Existenz 122 Titel von 68 Autoren aus dem Maghreb herausgebracht.
Mohammed Bennis – Die Gabe der Leere
Die Gabe der Leere von Mohammed Bennis. Aus dem Arabischen von Stephan Milich. Edition Lyrik Kabinett bei Hanser 2012.
Bennis‘ Gabe der Leere heilt die von lauten Klängen überfüllte Seele und öffnet das Herz für maghrebinische Sinnlichkeit.
Die Poesie von Mohammed Bennis aus Marokko zählt zu den schönsten, aber auch eigenwilligsten Dichtungen der Gegenwart. Der Dichter aus dem Maghreb hat sowohl den klassisch-islamischen Bildungsweg durchlaufen als auch das frankophone Schulsystem, und beides verbindet sich in seinem Werk zu einer untrennbaren Einheit von großer, oft komplexer Verdichtung. Der Titel „Die Gabe der Leere“ ist durchaus programmatisch zu verstehen: Unversehens beginnen die Worte zu leben und das Leben zu preisen, das sich den Gefahren der Erstarrung sowie jeder sprachlichen und gedanklichen Unterdrückung widersetzt.
Leseprobe
Mohammed Bennis – Die Gabe der Leere – Leseprobe
Über den Autor
Die Lyrik des 1948 geborenen marokkanischen Dichters, Literaturwissenschaftlers und Übersetzers Mohammed Bennis zählt, je nach Werkphase und Zyklus, zu den schönsten und schwierigsten arabischen Dichtungen der Gegenwart. Wie kaum ein anderer zeitgenössischer Poet des arabischen Sprachraums ist er bestrebt, eine Verbindung zwischen modernem „westlichem“ Freiheitsverständnis und arabo-islamischer Tradition in seiner Literatur zum Ausdruck gelangen zu lassen. Sein Bildungsweg erwies sich diesbezüglich als Glücksfall.
Aus einer angesehenen Familie in Fes stammend, hat Bennis sowohl den klassisch-islamischen Bildungsweg der Koranschule durchlaufen als auch das frankophone Schulsystem und damit die europäische Bildungstradition. Zunächst beeindruckt von der Sprache des Korans, verschlang Bennis arabische Poeten verschiedenster Zeitalter wie al-Mutanabbi (915/17-965), Abu l-Ala’ al-Ma’arri (973-1057), Gibran Khalil Gibran (1883-1931) und Abu l-Qasim al-Shabbi (1909-1934). Bald faszinierten den jungen Dichter aber auch die Klassiker der dichterischen Moderne Frankreichs, insbesondere Baudelaire und Rimbaud. „Das Französische“, so schreibt Mohammed Bennis in seinem Essay Das lyrische Schreiben und das Lob des Wassers, „lehrte mich die Freiheit, zu mir selbst zu finden und als Gast beim Anderen zu verweilen.“ Beide Welten, das Eigene und das Fremde, verbinden sich seit dem ersten, 1969 veröffentlichten Gedichtband Vor den Worten zu einer untrennbaren Einheit von oft sehr komplexer Verdichtung, die im jüngeren Schaffen bisweilen hermetische Züge annimmt und sich der festen Zuschreibung von Bedeutungen verweigert. Zitat: Stephan Milich
Neben der Dichtung arbeitet Mohammed Bennis als Professor für Literaturwissenschaft an der Universität Rabat. Zudem hat er wichtige literarische und philosophische Stimmen ins Arabische übertragen. Er engagierte sich zudem als Gründungsmitglied des ‹Hauses der marokkanischen Dichtung›, in dem er bis 2003 die Präsidentschaft übernahm. Mohammed Bennis veröffentlichte mehr als 30 Bücher, darunter vierzehn Gedichtsammlungen und zwei Bücher zu seiner dichterischen Arbeit. Er nahm an zahlreichen arabischen und internationalen Poesiefestivals teil und wurde mit zahlreichen Würdigungen ausgezeichnet, u. a. von der Gesellschaft für Literaturstudien in Sfax (Tunesien) 1991, von der Anwar Sous Gesellschaft in Agadir, 2002 verlieh ihm Frankreich die Auszeichnung Chevalier des Arts et des Lettres. In deutscher Sprache sind Gedichte in verschiedenen Anthologien und die Gedichtauswahl ‹Die Gabe der Leere› (2012) in der Übersetzung von Stephan Milich erschienen.