Malek Bennabi – Algerischer Denker und Autor
Malek Bennabi (* 1905 in Constantine; † 31. Oktober 1973 in Algier) ist ein algerischer Denker und Autor, der mehrere Werke über die menschliche Gesellschaft, besonders die muslimische Gesellschaft und die Ursachen für ihren Niedergang verfasste. Er schrieb vor allem über geistige Erneuerung in der muslimischen Gesellschaft.
Bennabi schrieb auf arabisch und französisch. Die auf französisch geschriebenen Werke wurden ins Arabische übersetzt. Seine Werke liegen auf Arabisch, Französisch oder Englisch vor.
Dem algerischen Philosophen Malik Bennabi zufolge bestehen die muslimischen Gesellschaften heute aus drei Kulturen: die vom Mittelalter geprägte traditionelle Kultur, die Salafiyya-Kultur und eine an Europa orientierte laizistische nationalistische Kultur. Drei Kulturen, die von unterschiedlichen Zeitepochen geprägt sind, ohne dass sie untereinander ein verbindendes Element hätten. Keine dieser Kulturen könne daher einen Zukunftsentwurf für die muslimische Welt darlegen und so sei diese in eine ganz neue Form von Stagnation verfallen.
Kolonisierbarkeit
Ihm verdanken wir das Konzept der «colonisabilité – Kolonisierbarkeit» welches sich auf die Dekadenz der Gesellschaften bezieht. Ein Begriff, den er in seinem Buch „Les conditions de la renaissance – Bedingungen der Renaissance“ verwendet. Malek Bennabi hatte angeführt, dass nur diejenigen Völker kolonialisiert werden könnten, die auch dazu neigten, sich kolonialisieren zu lassen.
„Man muß eine fundamentale Unterscheidung zwischen einem einfach eroberten und besetzten und einem kolonisierten Land machen. Im einen gibt es die bereits bestehende Synthese des Menschen mit seiner Umwelt und seiner Geschichte, die ein unkolonisierbares Individuum prägt. Im andern erlauben die bestehenden sozialen Bedingungen die Kolonisierung des Individuums: in diesem Fall kommt es bei .einer Fremdokkupation un-weigerlich zu einer Kolonisation. Rom hatte Griechenland nicht kolonisiert, aber erobert. Großbritannien, das 400 Millionen Inder kolonisierte, weil sie kolonisierbar waren, hat Irland nicht kolonisiert.Der Jemen dagegen, der immer unabhängig war, zog daraus keinen Vorteil, weil er der Kolonisation bedürftig war.“ La Vocation de l’Islam Paris 1954
In Bennabis Schriften findet man interssante Analysen für die Kolonialisierungspolitik zur Zerstörung der sozialen Beziehungen in den kolonialisierten Völkern. Das Prinzip lautet: Teile und Herrsche. Dieses Prinzip wird mit aller Genauigkeit und Geschicktheit und in einer für die Opfer unterschwelligen Art und Weise praktitziert.
Les conditions de la renaissance – Bedingungen der Renaissance:
Das Buch kann als PDF gelesen werden.
Verlag: ANEP Algerien 2005, Sprache: Fransösisch
Ben Nabi sagt: die islamische Welt ist mehr damit beschäftigt, Produkte der Zivilisation anzuhäufen, als mit dem Aufbau einer Zivilisation. Dieser Prozess führt nicht zur Vollendung dieses Aufbaues in kürzer Zeit, wie es Japan in den Jahren zwischen 1868 und 1905 geschafft hatte. Ben Nabi will nicht, dass der Aufbau der neuen ersehnten Zivilisation dem Zufall oder einer langsamen Entwicklung überlassen wird.
1. Das soziale Beziehungsnetz:
Als Erstes sollte eine aufsteigende Gesellschaft am Aufbau des sozialen Beziehungsnetzes arbeiten. Als Beispiel nimmt er dafür den Geburt der muslimischen Gesellschaft in Medina, als der Propfet Mohammad die Auswanderer aus Mekka (Muhadschirun) mit den Medianern (Ansar) verbrüderte. Im Gegensatz dazu erlebt eine untergehende Gesellschaft eine Zerreißung ihres sozialen Beziehungsnetzes und Zusammenhaltes.Dies war der Zustand einer zerfallenen muslimischen Gesellschaft, als sie kolonialisiert wurde… sie war keine Gesellschaft mehr, sondern nur eine Ansammlung von Gruppierungen ohne Orientierung ähnlich dem Gischt auf der Meeresoberfläche. Er ist der Meinung, dass die Gesellschaft aus drei Bestandteilen besteht: Individuen, Gedanken (Ideen, Gedankengut, Kultur) und Dingen. Wenn also die Gesellschaft aus diesen drei Faktoren besteht, so wird das Reichtum einer Gesellschaft im Grunde daran gemessen, wieviel sie Gedanken und Ideen und nicht materielle Dinge besitzt. Dies war der Fall z.B. in Deutschland nach dem zweiten Welt Krieg, als man alles Materielles verloren und doch später alles wieder aufgebaut hatte, aufgrund des Reichtums an Ideen. Das Gedankengut allein verliert an Kraft und Effektivität, wenn das soziale Beziehungsnetz zerfällt. z.B. Die Spanier besiegten die Muslime in Andalusien, weil ihr soziales Beziehungsnetz stärker und besser war, obwohl sie kulturell viel ärmer als die Muslime waren. Die Gesellschaft im desolaten Zustand des Niederganges ist eine kranke Gesellschaft, deren einzelne Individuen ein aufgeblähtes Dasein erleiden, sodass die Existenz eines gesellschaftlich gemeinsamen Faktors erschwert oder gar unmöglich wird… Kennzeichnend für dieses Stadium ist, dass jeder bei Diskussionen über Probleme das Ziel vor Auge hat, nur Beweise für seine Meinung zu finden und nicht Lösungen für die Probleme anzustreben.
2. Empfänglichkeit für die Kolonialisierung:
Der Begriff „Die Empfänglichkeit für die Kolonialisierung“ ist einer der bekanntesten Konzepte Bennabis. Er beschreibt damit den Zustand einer zusammengebrochenen Zivilisation am Ende einer Periode und vor dem Beginn einer neuen. Das ist der Zustand der islamischen Gesellschaft heutzutage. Es handelt sich bei diesem Konzept um gesellschaftliche Faktoren, die eine Kontrolle der Invasoren vereinfachen und für die Fortsetzung des desolaten Zustands sorgen. Ein äußerlicher Faktor betrifft die Unterwertung des Individuums. Dessen menschliche und soziale Selbst-Wertschätzung wird gezielt und systematisch angegriffen. Dieser kolonialistische Faktor wird aber gestärkt oder gar möglich gemacht durch einen internen Faktor. Die innere Schwäche lässt der Einzelne den Status quo akzeptieren und sich innerhalb der vom Invasor bestimmten Grenzen bewegen. Bennabi beklagt die politische Denkweise, die die Kolonialisierung für alle Probleme der Gesellschaft verantwortlich macht und die magische Lösung dieser Probleme in der Befreiung von der Kolonialisierung sieht. Dieser Gedanke hat sich nach der Befreiung von der direkten Kolonialisierung in den meisten islamischen Ländern bewahrheitet. Die wirtschaftliche Rückständigkeit und der soziale Zerfall gingen weiter. Die Abhängigkeit vom Westen verschlimmerte sich in jeder Hinsicht sogar in der Nahrungsversorgung. Bennabi sagt: Die islamische Gesellschaft gelangte seit einigen Jahrhunderten zu den letzten Entwicklungsstadien ihrer Zivilisation. Heute durchlebt sie das Stadium der Prezivilisation erneut. Obwohl grosse Bemühungen für beinahe ein Jarhundert unternommen wurden, die Gesellschaft zur Bewegung zu bringen, zeigte sich dies als schwer und langsam. Es gibt zwei Sichten bezüglich der Hemmnisse, die die gesellschaftliche Entwicklung hinderen. Die Verteidiger der Kolonialisierung führen die Verzögerung auf den Islam zurück. Die Nationalisten* wiederum begründen dies mit der Kolonialisierung. Beide Theorien enthalten ein grosses Irrtum. Die einen ignorieren die Tatsache, dass die Kolonialisierung die meiste Verantwortung für das herrschende Chaos innerhalb der islamischen Welt trägt. Die anderen versuchen mit der Politik der Schmeichelei, die Gesellschaft über ihre eigene Verantwortung für die missliche Lage hinwegzutäuschen.Damit erreichen wir eine der wichtigsten Ansichten Bennabis nämlich: Die Bemühungen darauf konzentrieren, die Pflichten zu erfüllen und nicht nur darauf warten, die Rechte vom Außen zu bekommen. „Gewiß, Allah ändert die Lage eines Volkes nicht, ehe sie (die Leute) nicht selbst das ändern, was in ihren Herzen ist“.
Sein geistiges Schaffenswerk umfasst eine Fülle an Büchern und Schriften:
- Le Phénomène coranique (1947)
- Lebbeik (1948)
- Les Conditions de la renaissance (1949)
- Vocation de l’islam (1954)
- L’Afro-Asiatisme (1956)
- Le Problème de la culture (1957)
- SOS Algérie (1957)
- Discours sur la nouvelle édification (1958)
- La Lutte idéologique en pays colonisé (1958)
- Idée du Commonwealth islamique (1959)
- Réflexions (1959)
- Naissance d’une société (1960)
- Dans le souffle de la bataille (1961)
- Perspectives algériennes (1965)
- Le Problème des idées dans la société musulmane(1970)
- Le Musulman dans le monde de l’économie (1972)
- Le Rôle du musulman dans le dernier tiers du 20ème siècle (1972)
Bennabi ging 1929 nach Paris, um dort ein Ingenieursstudium zu absolvieren. Nach der Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg kam er, gezwungen durch seine Arbeitslosigkeit, im Sommer 1942 auch nach Deutschland und blieb bis 1944. Danach hielt er sich in Dreux, Frankreich auf, wo er auch seine spätere Ehefrau kennenlernte. Er arbeitete kurzzeitig für das Vichy-Regime, weshalb er nach dem dortigen Einmarsch der Amerikaner von August 1944 bis zum Frühjahr 1945 zusammen mit seiner Frau inhaftiert wurde. Er verließ Frankreich dann 1956 und kehrte erst 1963 nach Algerien zurück, wo er Direktor eines Bildungsinstituts wurde. Den mit dieser Einrichtung verknüpften Dienst quittierte er 1967, um mehr Zeit für seine Studien zu haben. 1973 verstarb er in Algier und ist dort auf dem Friedhof Sidi M’hamed beerdigt. Quelle: wikipedia.org, community.zeit.de
El-Jazeera über Bennabi Bennabi Biographie auf französisch
Aliman Tv über Bennabi Elmayadeen über Bennabi
Ghanouchi spricht über Bennabi Almadjd über Bennabi
Bennabi Vorträge auf arabisch über die Zivilisation und die Bedingungen der Renaissance