Mohammed Arkoun – Algerischer Philosoph und Islamwissenschaftler
Der international bekannte algerische Philosoph und Islamwissenschaftler Mohammed Arkoun (*1928 in Taourirt-Mimoun/Algerien – ✝14.09.2010 in Paris) war eine zentrale Figur des zeitgenössischen islamischen Bewusstseins, Begründer der „Kritik der Islamischen Vernunft“ und galt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Denker der islamischen Welt.
In seinen Büchern setzte er sich für eine schonungslose Auseinandersetzung mit den autoritativen Schriften des Islam ein. Ihm ging es „um nichts Geringeres als um das Neudenken des Islam als kulturelles und religiöses System“.
Mit dem berberischen Philosophen Ibn Rushd, der 1126 in Córdoba geboren wurde, sich zwischenzeitlich aber in Fes im Exil aufhalten musste, 1198 dann in seiner Heimatstadt starb, identifizierte er sich besonders. Ibn Rush gilt als Schöpfer einer Religionsphilosophie, in der zwischen der metaphorischen Rede der Offenbarung und der Wissenschaft (Philosophie) streng unterschieden wird. Dieser sogenannte Averroismus hat auch das europäische Denken tief beeinflusst. Im Jahre 2003 erhielt Mohammed Arkoun in Berlin den Ibn-Rushd-Preis für aufklärerisches Denken. Auf Wunsch seiner Frau, einer Marokkanerin, wurde er in Casablanca bestattet.
Mohammed Arkoun lehrte von 1961 bis 1991 als Professor für muslimische Ideengeschichte an der Pariser Sorbonne. Zuletzt befasste es sich mit einer Untersuchung zu historischen, politischen und kulturellen Aspekten des Mittelmeerraums und des Maghreb.
Arkouns Kritik der islamischen Vernunft
Nach Arkoun hat die Entwicklung des islamischen Denkens seit dem 13. Jahrhundert zu einer Inflation von Dingen geführt, über die zu denken unmöglich ist. Das heutige Ergebnis seien erstarrtes Denken und festgefahrene Überzeugungen, die eine Kritik notwendig machten.
In seinem zentralen Werk „Pour une critique de la raison islamique“ versucht Arkoun daher, die islamische Legitimation durch seine eigene Quellendeutung aufzubrechen. Er stützt sich dabei auf die Wurzeln der Religion und der islamischen Rechtsprechung, deren Gesetze in Bezug auf Analyse, Interpretation, Forschung und Deduktion bis heute trotz der veränderten historischen und gesellschaftlichen Tatsachen als unfehlbar und unantastbar angesehen werden.
Arkoun negiert diese Gesetzgebung jedoch nicht, sondern er strebt nach einer modernen Auslegung, für die er zwei dringliche Notwendigkeiten sieht: Die Kompensation des Vakuums in Führung und Legitimation der Nationalstaaten, die nach der Unabhängigkeit gegründet wurden einerseits, und die Bekämpfung des Bevölkerungswachstums andererseits, das nach Arkoun einhergehe mit politischer Romantik und Gesetzen, die Arbeitslosigkeit, Frustration, Armut und die Entstehung sozialer Randgruppen begünstigten.
Nach Ansicht Arkouns greifen die Menschen in dieser Situation auf ihr kulturelles Erbe, ihre Religion und Tradition zurück, und werden dabei durch muslimische Wissenschaftler unterstützt, die nicht müde werden, das „Goldene Zeitalter“ des Islam hochleben zu lassen, ohne sich mit der Zeit des „Niedergangs“, die der Moderne voranging, auseinander zu setzen.
Tatsächlich sei die islamische Vernunft aber seit Jahrhunderten durch intellektuelle Ohnmacht, schablonenhaftes Denken und Trägheit bestimmt, die letztlich zu einer Abschaffung jeglicher Freiräume für Kritik geführt hätten. Mit seiner „Kritik an der islamischen Vernunft“ verfolgt Arkoun schließlich das Ziel, den Islam mutig und kompromisslos auf alle fehlerhaften Erkenntnisse, Legenden, Parolen und Visionen zu untersuchen, ohne dabei herablassend zu sein. Aufgrund dieser Analyse könne eine Synthese erfolgen, die ein alternatives Denken im Gegensatz zum bisherigen islamischen Denken möglich mache.
Zur Biographie Arkouns:
Mohammed Arkoun, wurde 1928 in Taourit Mimoun in der Großen Kabylei in Algerien als Sohn einer Berberfamilie geboren und zieht im Alter von neun Jahren mit seinem Vater in ein wohlhabendes Dorf bei Oran, in dem französische Siedler leben. Dieser Ortswechsel ist ein Schock für Arkoun.
Es wird ihm bewusst, dass er als Berber einer Minderheit angehört und nicht den Status und die Rechte der Araber besitzt. Auch muss er nun Arabisch und Französisch erlernen, um sich verständigen zu können.
Durch seinen Onkel, der dem mystischen Islam sehr verbunden ist und der ihm eine gute Ausbildung verschafft, wird Arkoun stark beeinflusst. So erklären sich Arkouns Verständnis vom Einfluss der Religion auf die Menschen und seine Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf den Volksislam und den Sufismus.
Einerseits macht der Onkel ihn mit den Grundlagen des Korans und des Islam vertraut, andererseits begleitet er ihn und seinen Vater zu den religiösen Versammlungen, die Bestandteil des dörflichen Alltags sind. Die finanzielle Lage der Familie erlaubt es Arkoun jedoch nicht, seine schulische Ausbildung in der Hauptstadt fortzusetzen.
So besucht er von 1941 bis 1945 zunächst eine Schule im Nachbarort, die von Mönchen geleitet wird. Diese Zeit beschreibt Arkoun als Entdeckung der lateinischen Kultur und Literatur, in der er die Kirchenväter Augustinus, Cyprianus, Tertullian und christlichen Werte, insbesondere die Nächstenliebe, kennen lernt.
Von 1950 bis 1954 studiert er in Algier arabische Literatur, er beschäftigt sich jedoch auch mit Jura, Philosophie, Geografie und besonders mit arabischer Philosophie – in der Hoffnung, in Paris studieren zu können. Mitte der Fünfzigerjahre schreibt sich Arkoun an der Sorbonne ein. In dieser Zeit des „Aufbruchs“ beschäftigt er sich wie viele andere seiner Generation mit den Interessen der Dritten Welt, der Suche nach einem „Dritten Weg“ und dem wachsenden politischen Bewusstsein dieser Länder, beeinflusst durch die Schriften Frantz Fanons. Die Befreiung Algeriens und die Regierung Boumédiennes bereitet den Hoffnungen Arkouns und seiner Generation jedoch ein jähes Ende.
Auch die Folgezeit in Frankreich gestaltet sich schwierig für Arkoun. Wie andere muslimische Intellektuelle, die sich die europäischen Methoden der Wissenschaft angeeignet haben, ist er in Europa unerwünscht. Er gilt als jemand, der die europäische Moderne ablehnt und Europa feindlich gegenüber steht. In seiner Heimat ist er ebenfalls nicht erwünscht, da er als Vertreter des imperialistischen Westens und der europäischen Kultur, ihrer Methoden und ihrer liberalen und feindseligen Publikationen gilt.
1971 erhält Arkoun an der Sorbonne eine Anstellung als Professor für „Islamische Ideengeschichte“ und ist seit 1993 Gastprofessor an zahlreichen Universitäten und Forschungsinstituten, vor allem am „Institute of Ismaili Studies“ in London. 1999 schließlich gründet er in Paris das „Institut d’Études des Sociétés Musulmanes“, für das er sich bereits seit 1970 eingesetzt hatte.
Quellen und andere Artikel über Mohammed Arkoun:
* wikipedia.org
* Ursula Günther
*zeit.de
*qantara.de
*berliner-zeitung.de
*ibn-rushd.org