Yennayer 2971 – Das Neujahr der Imazighen
Am 13. Januar begingen die Imazighen das Jahr 2971. „Assguass Amggaz!“ oder „Assguass Ambarki“ (Frohes Neues Jahr!) lautet ein Neujahrswunsch auf Tamazight, einer der wichtigsten Berbersprachen im Maghreb. Die Imazighen sind die Ureinwohner Nordafrikas, was auf Deutsch so viel wie „freie Menschen“ bedeutet.
Geschichte des Yennayer
Die Jahrtausend alte Festlichkeit „Yennayer“, wörtlich das „erster Monat“ oder auch als „Tor des Jahres”, wird jedes Jahr am 12. und 13. Januar gefeiert. So wird in Algerien am 12. Januar und in Marokko und Tunesien am 13. Januar in das neue Jahr hineingefeiert. Dieses Datum entspricht dem ersten Januartag des Julianischen Kalenders, 12 Tage später als der gregorianische Kalender.
Das „Yennayer“ soll die Inthronisierung eines Pharao mit Amazigh-Wurzeln in Ägypten markieren. Es wird in Verbindung mit der Thronbesteigung von Pharao Schenschong I. gebracht. Der libysche Pharao soll den Ägyptischen Thron im Jahr 950 v. Chr. bestiegen haben, nachdem er einen erfolgreichen Feldzug gegen Ägypten geführt hatte. Auf ihn soll die 22. Dynastie Ägyptens begründet sein.
Das Datum könnte auch mit dem Bauernkalender der Ureinwohner Nordafrikas zu tun haben, die in Algerien, Marokko, Tunesien und Libyen vor der arabischen Invasion im 7. Jahrhundert ansässig waren. Hauptsächlich wird ein Naturfest nach heidnischem Brauch gefeiert, um die Natur zu ehren, den Winter zu vertreiben und ein neues Erntejahr einzuleiten.
Der Berber-Kalender
Als „Berber“ werden die Bevölkerungsgruppen Nordafrikas bezeichnet. Der Terminus Berber leitet sich vom griechischen Begriff bárbaros ab und wurde von den alten Griechen für fremdartige Menschen verwendet, die die griechische Sprache nicht oder nur gebrochen beherrschten. Die Römer, die den Griechen anfangs selbst als Barbaren galten, übernahmen die Bezeichnung barbarus für alle Menschen ohne griechisch-römische Bildung. Die Araber übersetzten „Berber“ mit „Barbar„, was auf Arabisch „barbarisch“ bedeutet.
Die Berber nennen sich in ihrer Sprache selbst »AMAZIGH« (plural Imazighen), was auf Deutsch so viel wie „freie Menschen“ bedeutet. Heute bezeichnen sich die meisten Berber bevorzugt mit dem Wort Imazighen. Tamazight (oder Berber) heißt die Sprache, der ursprünglichen Bewohner Nordafrikas vor der arabischen Eroberung. Tamazight ist eine der ältesten geschriebenen und gesprochenen Sprachen der Welt. Tifinagh ist das Alphabet und das Wort Tifinagh bedeutet; tifin „Entdeckung“ negh „sich selbst“, was „unsere Erfindung“ in der Übersetzung entspricht. Sie existiert bis heute und verbreitet sich unter den Berber-Stämmen von den kanarischen Inseln im Atlantik bis zur Siwa-Oase in Ägypten und vom Mittelmeer in Nordafrika bis zum Niger in der Sahara.
Der Berber-Kalender ist ein alter, agrarischer Sonnenkalender, der auch „fellahi“ „bäuerlich“ genannt wird. Der Kalender ist ein später Abkömmling des von Julius Cäsar 45 v.Chr. eingeführten Julianischen Kalenders, was auch bereits die Datendifferenz von 12 bis 14 Tagen vermuten lässt. Dieser Kalender wurde während der Römischen Herrschaft auch in der Provinz Africa eingeführt und blieb nach der muslimischen Eroberung im 7. J.H. wegen seiner Orientierung an der Jahreszeiten insbesonderer für die Landwirtschaft bedeutsam. Die Anzahl der Tage in den Monaten, 30 oder 31, entspricht dem der Gregorianischen Monate und der 29. Februar ist alle vier Jahre Schalttag. Aber die Reformen des Gregorianischen Kalenders – mit seinen Schaltjahrsausnahmen – machte der nordafrikanische Bauernkalender nicht mit – daher rührt die oben angesprochene Differenz.
Der einzige Unterschied zum vorher geltenden julianischen Kalender war eine neue Schaltjahresbedingung. Im Schaltjahr hat der Februar 29 anstatt 28 Tage. Ein Jahr gilt als Schaltjahr im gregorianischen Kalender, wenn die Jahreszahl entweder durch 4 teilbar ist und nicht durch 100 oder durch 400 teilbar ist. Ein Jahr gilt als Schaltjahr im julianischen Kalender , wenn die Jahreszahl durch 4 teilbar ist. 2000 ist z.B. ein Schaltjahr für beide Kalender aber 1900 ist nur für den julianischen Kalender ein Schaltjahr.
Auch die Monatsnamen beweisen die lateinische Abkunft des Berber-Kalender. Diese Monatsnamen werden übrigens sowohl in den Berbersprachen als auch im maghrebinischen Arabisch benutzt. Die Berber der Kabylei in Algerien benutzen folgende Monatsnamen, in anderen Regionen weichen sie geringfügig ab: (ye)nnayer [Januar], furar [ebruar], meγres [März],(ye)brir [April], maggu [Mai], yunyu [Juni], yulyu(z) [Juli], γuct [August], ctember [September], (k)tuber [Oktober], nu(ne)mber [November], bu- (du-)jember [Dezember].
Yennayer wird volksetymologisch (in Unkenntnis der lateinischen Wurzel) auf Tamazight gedeutet als „yan“ (in vielen Berberdialekten die Zahl „eins“) + (a) yur, „Mond/Monat“), also „erster Monat“ oder auch als „Tor des Jahres”. Die Ermittlung des Jahres ist auf kosmologische und mythologische Vorstellungen zurückzuführen und lässt sich von politischen-historischen Hintergründen und mythologischen Vorstellungen unterscheiden:
Die politisch-historischen Hintergründe
Die frühesten Zeugnisse über die Berber stammen vor den alten Ägyptern, denn die östliche Fraktion der Berber war ihr unmittelbarer Nachbar. Sie wurden von den Ägyptern «Libyer» genannt. Zahlreiche Libyer haben ihre Heimat verlassen, weil die Sahara schrittweise austrocknete, und so haben sie sich im Nildelta niedergelassen. Sie wurden auf der Suche nach fruchtbaren Böden fündig. Andere Berberstämme wurden von Hunger vertrieben und rannten um 1210 v. Chr. Gegen die Grenzen des alten Ägypten an und wurden unter dem Pharao «Merenpath» abgewehrt.
Die verbündeten der Libyer waren «Seevölker.» Diese Völker waren mehrheitlich indogermanische Stämme von den Küsten Italiens, Griechenland und Kleinasiens. Zu Zeiten des Pharao Ramses III. (ungefähr 1182-1152 2 v. Chr.) schlossen sich die Libyern anderen Berberstämmen an. Etwa zur gleicher waren vom Norden her wieder die Seevölker eingeströmt. Aber Ramses III. machte die beiden Kriegsfronten ein Ende. Er besiegte seine Gegner und nahm seine Frauen und Kinder als Gefangene. Berber die mit ihrem Leben davon kamen, wurden Sklaven im Dienste des Königs. Andere kamen zum ägyptischen Heer.
Um 945 v.Chr. gründete ein Berber namens «Scheschonq» den ägyptischen Thron und die 22. Dynastie. Mit der Übernahme der Macht durch libysche Söldner zerfiel das Reich und löste sich schließlich auf. In diesem Jahr begann die Berber- Zeitrechnung – 950 v.Ch.
Mythologische Hintergründe des Yennayerfestes
Es soll einmal eine alte Frau gegeben haben, die keinen Respekt vor dem Winter hatte. Die Natur bestrafte sie dafür, dass sie dem Winter nicht genügend Beachtung und Demut entgegen brachte, wie den anderen Jahreszeiten. Deshalb nahm sich der Januar einen Tag vom Februar und verlängerte somit den Winter. Ein Rind der alten Frau starb durch die klirrende Kälte, die die Natur ihr schickte und so lernte sie ihre Lektion, den Winter zu respektieren. Der Monat Januar verkörpert die kräftige und Strenge Natur. So feiern und ehren jedes Jahr die Imazighen diesen Tag, aus Angst, dass sich diese Geschichte wiederholen könnte.
Das Yennayerfest findet überall am selben Tag statt, jedoch mit unterschiedlichen Praktiken und Besonderheiten je nach Region, den spezifischen Traditionen und Lebensweisen. Das Ziel ist jedoch dasselbe: „Es ist das Zeichen eines neuen fruchtbaren Jahres und somit auch als Agrar- oder Bauernjahr bekannt“.
So wird das gemeinsame Essen zum Familienritual. Am meisten wird einen Hahn geopfert. Das Ritual soll die Familie vor Unglück, Flüchen, Pech schützen. Die ganze Familie, manchmal der ganze Clan, kommt zusammen um Couscous oder andere Hühnergerichte zu essen. Es werden den ganzen Abend Süßigkeiten und Trockenfrüchte verteilt, wie z.B. Granatäpfel, Feigen, Datteln, etc. Die Erwachsene sind die ganze Nacht beschäftig, den Kindern die Geschichte von Yennayer und anderen Mythen zu erzählen, um das Vermächtnis zu pflegen und die Kultur zu wahren.