Papa, was ist ein Terrorist? von Tahar Ben Jelloun
Papa, was ist ein Terrorist? von Tahar Ben Jelloun. Aus dem Französischen von Christiane Kayser, Berlin Verlag, Oktober 2016.
Maghreb Magazin stellt regelmäßig Bücher aus und über dem Maghreb vor. Dazu zählen ausgewählte Werke der Literatur auf Deutsch und ins deutscher Übersetzung, deren Handlung im Maghreb spielt oder dort ihre Wurzeln haben. Die maghrebinische Literatur ist geprägt von der Kolonialgeschichte, Exil und Migration, Fundamentalismus, aber auch Hoffnung auf Veränderung und umfasst Literatur in verschiedenen Sprachen – arabischen, französischen und amazighischen – mit verschiedenen Stilen und Themen sowie historischen Hintergründen. Sie zeichnet sich durch einen hohen Grad an Welthaltigkeit und führt den Leser so in eine andere Region mit all ihren Verwerfungen, Brüchen, Katastrophen…
Verglichen mit der jungen arabischsprachigen Literatur des Maghreb erfreut sich die frankophone Literatur zweifellos eines großen Ruhms auf der ganzen Welt. Die französisch geschriebene Literatur des Maghreb gilt als eine lebendige Auseinandersetzung mit Tradition, Geschichte und aktuellen Lebensbedingungen. Als Tahar Ben Jelloun, der meisübersetzte und prominenteste marokkanische Gegenwartsautor, 1987 mit dem Prix Goncourt für seinen Roman „Die Nacht der Unschuld“ ausgezeichnet wurde, hat dies der gesamten Maghrebliteratur einen Popularitätsschub beschert. Die frankophone Literatur des Maghreb ist seitdem im deutschen Sprachraum verstärkt wahrgenommen worden, besonders nachdem maghrebinische Autorinnen und Autoren französischer Sprache mit wichtigen internationalen Preisen ausgezeichnet wurden, u.a. Tahar Benjelloun, Kateb Yassine, Assia Djebbar, Boualem Sansal, Hédi Kaddour, Kamel Daoud, Yasmina Khadra uvm. Einige couragierte Verlage (etwa Verlag Donata Kinzelbach, Unionsverlag, Lenos, Eichborn, Rotbuch, Edition Orient) haben vornehmlich marokkanische, algerische und tunesische Autoren in guten Übersetzung in ihrem Programm. Der Verlag Donata Kinzelbach hat in 30 Jahren Existenz 122 Titel von 68 Autoren aus dem Maghreb herausgebracht.
Papa, was ist ein Terrorist?
Aus dem Französischen von Christiane Kayser, Berlin Verlag, 4. Oktober 2016, 128 Seiten, Gebunden mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-8270-1342-2
Tahar Ben Jelloun verlor mit den Zeichnern Cabu und Wolinski zwei Freunde und mit der Fotografin Leila Alaoui eine Angehörige durch den islamistischen Terror. Jetzt stellt sich der marokkanische Schriftsteller und Psychotherapeut Tahar Ben Jelloun den Fragen seiner Tochter. „Papa, was ist ein Terrorist?“ betitelt er sein neuestes Buch, in dem er mit verständlichen Worten erklärt, wie wir eine der größten Bedrohungen unserer Zeit verstehen können: Was lehrt die weltweite Geschichte des Terrorismus? Warum töten Terroristen? Wie kann sich eine Demokratie gegen den Terror wehren? Welche Rolle spielt die Angst? Und welche die Religion?
In Form eines imaginierten Dialogs mit seiner heranwachsenden Tochter erklärt er ihr und damit uns in einfachen, verständlichen Worten die Hintergründe des Terrors. Er nimmt ihre Ängste ernst, verdeutlicht die Grundlagen von Zivilisation und Rechtsstaat und informiert sie über Terrorismus in Geschichte und Gegenwart. Mit einer präzisen Unterscheidung zwischen Terrorismus und Befreiungsbewegung bzw. Widerstandsgruppen zeigt er ihr, dass der Terrorismus eine radikale Art ist, religiöse oder politische Ideen durchzusetzen, die nichts mit dem Islam zu tun hat. Warum sich vor allem Muslime von dieser Unmenschlichkeit angesprochen fühlen, ist häufig bedingt durch ihre Entwurzelung und fehlende Integration, durch Antisemitismus, islamistische Propagandavideos, Clandenken, Jenseitsphantasien und die perverse Sucht nach Märtyrertum. Damit bringt er Klarheit in den Diskurs, der oft geprägt ist von einer Vermischung des grauenvollen Terrors mit der Religion, der Kultur und der Gemeinschaft der Moslems.
Ben Jelloun erklärt die Rolle der Religion, analysiert die Bedeutung der Propaganda im Internet und beschreibt die Motive der Täter. Angst ist unvermeidlich, stellt er als Betroffener fest. Aber der Angriff auf unsere Lebensweise darf unsere Kultur der Vernunft und gegenseitigen Akzeptanz nicht erschüttern.
Für Jugendliche (ab zwölf Jahren) ist das empfehlenswerte Buch eine fundierte Erklärung, die mit dem „Aufruf an die Muslime“ Beispiele setzt, was diese selbst tun können, um nicht zu Komplizen zu werden.
Über den Autor
Tahar Ben Jelloun, geboren 1944 in Fès (Marokko), lebt in Paris und Tanger. Er gilt als bedeutendster Vertreter der französischsprachigen Literatur des Maghreb. Tahar Ben Jelloun studierte Philosophie, Soziologie und Psychiatrie in Rabat und Paris. Er wurde Journalist und Schriftsteller und arbeitete u. a. als ständiger Mitarbeiter der Tageszeitung Le Monde sowie der Monatszeitschrift Le Monde Diplomatique. Für seine Romane wurde er mit zahlreichen internationalen Preisen geehrt. 1987 wurde er mit dem Prix Goncourt ausgezeichnet, 2004 mit dem renommierten International IMPAC Dublin Literary Award. Im Jahr 2011 wurde ihm der Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis verliehen.